Liebe Shiatsu Menschen und GSD Mitglieder,
das Wachsen und Werden ist keine Sache die über Nacht, ein Jahr oder eine Legislaturperiode
passiert. Wandel ist etwas Kontinuierliches, ein Prozess. Lebendigkeit hat dort Platz, wo ihr Raum
gelassen wird und geschehen darf, was sich zeigt. Wissen wir. Was wir noch nicht wissen, ist, wie wir
es außerhalb unserer Praxen in die Umsetzung bringen können. Ich habe in meinem Jahr innerhalb der
GSD viel Ohnmacht, Hilflosigkeit, Festhalten, Angst, Misstrauen, Verletzungen, Überforderung, Ego,
Frust und Wut erlebt und beobachtet. Aber auch viel Hoffnung, Ideen, Visionen, Freude,
Gemeinschaftlichkeit, Wille, Potential, und Fülle. Und vor allem viel Herz.

Es ist für uns im Vorstand und der Geschäftsstelle im Einzelnen nicht immer klar, wie es den Mitgliedern geht. Die Resonanz auf etwas, das von uns hineingegeben wird, fällt sehr gering bis gar nicht aus. Gleichzeitig gab es über die Jahre ausreichend Resonanz, um zu verstehen, dass immer noch kein Weg gefunden wurde, der die gewünschte Veränderung praktikabel macht. So verstehe zumindest ich (u.a.) das Schweigen und Abwarten aus der Mitgliedschaft. Und höre darin den Aufruf, etwas fundamental zu verändern. Gleichwohl eine radikale Änderung, wie es GSDneu angestoßen hatte, auch nicht gewünscht zu sein schien.

Was braucht es, um Veränderung Raum zu geben? Im Shiatsu sagen wir: Da sein. Geschehen lassen. Raum halten. Und was tun, wir, wenn der Raum zu eng ist? Wie schaffen wir Platz? In der Natur ist es der Wind, der immer wieder aufräumt, um den jungen Pflanzen den Zugang zum Licht zu ermöglichen. Es ist auch die Kälte und Dunkelheit, die den Rückzug der in die Fülle gebrachten Lebenskräfte erfordert, um sich wieder auf das Essenzielle und Zukünftige zu konzentrieren – welches sich in der Ruhe nähren kann, um im Frühling in neuer Kraft zu erstrahlen – zu Wachsen und zu Werden.

 

Alles zu seiner Zeit!
Wir haben uns als Menschen entwickelt und gelernt, dass Hierarchie und gewohnte Machtstrukturen nicht mehr wirken. Die Zeiten, in denen das Ego im Vordergrund die Richtung bestimmte, sind vorüber und der Zweck, der die Mittel heiligt, hat ebenfalls ausgedient. Doch was ist es, auf das wir nun gemeinschaftliche Strukturen stützen können? Wie kann es funktionieren einen Dachverband (für Shiatsu) zu bewohnen? Die nachwachsende Generation strebt kein Erklimmen der Karriereleiter an.

Daraus den Schluss zu ziehen, dass kein Interesse bestünde, Einfluss auf unser Weltgeschehen zu nehmen, schätze ich als verkürzt und verzerrt ein. Ich glaube, dass diese Strukturen von Hierarchie und Ego als einschränkende Machtstruktur erkannt wurden, die nur (noch) Einzelnen anstatt der Gesamtheit dient. Das bedeutet nicht, dass immer alle gleichzeitig über alles entscheiden müssen und das Verantwortlichkeiten nicht mehr verteilt werden müssen. Gleichwohl bezieht es eben alle mit ein, Verantwortung zu übernehmen. In ihren Kompetenzen und Kapazitäten. Die Satzung ist hierbei in meinen Augen nur Werkzeug, welches unserer Fracht dienen sollte, nicht jedoch unsere Richtung bestimmen.

Und insbesondere ist es wichtig, das Tempo herauszunehmen! Blicke ich auf die letzten vier Jahre zurück, in denen sich Neues versuchte, sehe ich auch das Alte, wie es noch stark mitschwang. Dieses Mitschwingen hat ebenso Tatsachen geschaffen, wie das Neue, was nicht landen konnte. Ich denke diverse Rücktritte sind aus dieser Dynamik entstanden – von der einen oder der anderen Seite, oder einfach aus Überforderung. Die Umbruchdynamiken können wir nicht verhindern. Sie verursachen erstmal Chaos und Unsicherheit. Doch der Überforderung müssen wir begegnen – in dem wir uns auf das wirklich Essenzielle fokussieren und damit Klarheit schaffen. Und in dem wir Tempo rausnehmen und dem vertrauen, was sich zeigt. Wenn der Weg nicht klar ist, setzt man sich schon mal gerne ans Ufer. Was braucht es, um wieder aufzustehen oder Visionen Wirklichkeit werden zu lassen?

Mein möglicher Beitrag.
Ich bin angetreten, um Veränderung mitzugestalten und um Raum für Neues zu geben und zu halten. Zu einer Zeit, in der sich schon über längere Zeit eine Gruppe intensiv genau damit auseinandergesetzt hatte. Ich habe erlebt, wie innerhalb dieses Prozesses immer wieder die Polarität deutlich wurde und sich in einem „alt gegen neu“ ausdrückte. Diese Polarität gehört für mich insgesamt jedoch dem Alten an. Was wir brauchen – im Shiatsu, in Projekten, in der Welt – ist ein mit- und füreinander von „alt und neu“. Das Alte kennt sich aus mit Bewahren, das Neue mit dem Erschaffen. Wie bekommen wir diese Pole zusammen? Wie kann Erneuerung geschehen, ohne sich von den Wurzeln abzuschneiden? Wie können wir das Alte integrieren, ohne dass es weiter den Weg vorgeben möchte?

Umbrüche erfordern eine neue Ausrichtung – welche durch eine alte Brille nicht sichtbar ist. Ich sehe mich als ein Mensch aus den Reihen der Neuen. Ich lehne es ab, meine Meinung oder Vorstellung durchzudrücken! Gleichwohl bin ich mit vollem und aus ganzem Herzen bereit, meine Kompetenzen
und Themen der (Shiatsu) Welt zur Verfügung zu stellen!

• Sichtbarkeit – in die Welt
• Vernetzung – europäisches Shiatsu und im Großbereich Gesundheit und MenschSein
• Öffnung – Shiatsu ist der Fokus, nicht die GSD (Verhältnis von Fracht und Vehikel klären)
• Vertrauen, anstatt Misstrauen (sowohl alt als auch neu gegenüber)
• Erlaubnis von NichtWissen – und deshalb intuitives Handeln und Geschehen lassen

Doch kann ich dies nicht allein! Ich bin mit allem oben genannten da und bereit und stelle mich für den Vorsitz zur Verfügung. Es braucht neben mir jedoch andere und Neue, damit wir gemeinsam Verantwortung für die Veränderung der GSD übernehmen können! In unserem Tempo, mit einer Vision, welche die Umbruchprozesse im Allgemeinen berücksichtigt. Mit einem Ziel und einem entsprechenden Weg, den wir gemeinsam beschreiten können. Es braucht neben uns Menschen, die noch nicht in der alten GSD gewirkt haben, da sie neue Ansätze auf natürliche Weise beisteuern können – und das meine ich jenseits gängiger Alterskategorien! Es braucht Menschen, deren Neugier und Interesse vorhanden ist, das Potential von Shiatsu für die Gesundheit und für den gesellschaftlichen Wandel in eine Wirkung zu bringen!

Die GSD ist ein Rahmen, innerhalb dessen wir die Kraft der Gemeinschaft nutzen können. Wir sollten diese Möglichkeit ergreifen und sie nicht aus Angst vor dem Unbekannten oder Unangenehmen sausen lassen. Auseinandersetzungen (gerade jene zwischen alt und neu) schaffen Entwicklung – denn auch sie verbinden uns mit dem, was ist.

So wie die GSD sich verändert hat, ist auch Vorstandsarbeit etwas anderes geworden. Ich kann und will mich in der Position der Vorsitzenden nicht an der ehemaligen Vorstandsarbeit messen oder es ihr gleichtun. Ich wünsche mir, dass vorhandene Visionen weder einer Selbstüberschätzung noch einem viel zu hohen Erwartungsdruck zum Opfer fallen. Ich möchte dazu beitragen, sie in die Umsetzung zu bringen. Und ich möchte genau deshalb andere Wege gehen, als es in der GSD bisher üblich war. Wie genau diese aussehen? Dazu habe ich nur Ideen, das müssen wir uns gemeinsam konkreter erarbeiten. Ich weiß aber, dass ich kein Interesse daran habe, etwas Dysfunktionales am Laufen zu halten!

Möglicherweise bin ich damit eine Zumutung. Für wen? Für was? In einem solchen Satz gesprochen,
assoziieren wir hiermit oft etwas Negatives. Doch auch hier bediene ich mich gerne aus dem Shiatsu:
Es bedarf Mut, sich mit allem, was einen ausmacht zu zeigen; es braucht Mut, geschehen zu lassen, was sich zeigt, ohne die Kontrolle darüber behalten oder der Situation erhaben sein zu wollen. Darf ich mich dir und euch zumuten? Ich möchte mich sehr gerne zumuten! Ich möchte den Mut aufbringen, mit dem zu sein, was und wer ich bin. Ich möchte den Mut aufbringen, keinen alten Mustern zu folgen, sondern an jeder Stelle neugierig zu bleiben, innezuhalten und zu erspüren und erfragen, was es braucht. Ich möchte den Mut aufbringen Gewohnheiten als Scheinsicherheit zu erkennen und herauszufinden, was mir/uns wirkliche Sicherheit verschafft, um aus dieser Position
heraus wahre Freiheit zu erfahren – und mich/uns damit von Haltlosigkeit und Gefangenschaft zu
befreien!

Ich möchte Da-Sein. Das kann ich nicht, wenn ich nur eine Rolle erfüllen soll. Ich möchte den Mut aufbringen, meine Kompetenzen und Themen zur Verfügung zu stellen. Ich möchte loslassen von der Angst, nicht genug oder nicht gut genug zu sein. Möchte vertrauen in das, was Shiatsu mich gelehrt hat und lieber einmal durchatmen und mich berühren lassen, und dem was daraus erwächst Raum geben, anstatt vorschnell aus Gewohnheit zu reagieren. Ich möchte agieren und Täterin meines Lebens und innerhalb meines Mitfeldes sein. Denn nur so kann ich mich lebendig und in meiner Kraft fühlen. Und was sollte ich sonst zur Verfügung stellen, als meine Kraft, die sich aus meiner Essenz nährt? Von Shiatsu habe ich gelernt – und lerne weiterhin – mich genau mit dieser Quelle in meinem Tun zu verbinden. Und ich bin nicht bereit über meine Grenzen etwas zu erfüllen, nur weil es „schon immer so war“ oder es von mir erwartet wird! Und genau das möchte ich zur gegebenen Zeit ehrlich kommunizieren können.

Die Krux an dem Neuen ist, dass man es noch nicht erfahren hat, nicht kennt und nicht einschätzen kann. Es liegt in der Natur der Sache, dass wir uns absichern und keiner Gefahr aussetzen wollen. Insbesondere dann zu wenig Risiko bereit sind, wenn viel oder gar alles auf dem Spiel steht. Doch wann, wenn nicht jetzt? Habt auch ihr den Mut Shiatsu sichtbar zu machen? Shiatsu mit all seinem Potential zu zeigen? Aus den Nischen hervorzukommen und am kulturellen Wandel mitzuwirken? So etwas kann man nicht alleine bewerkstelligen. Dafür braucht es Schulterschluss und Vielheit!

Von Herzen,
Anna Arndt